1. Ausgangslage
Der Rat hat am 25.5.2018 die Regelung zur Anzeigepflicht grenzüberschreitender Modelle verabschiedet. Die Veröffentlichung ist am 5.6.2018 erfolgt. Die Neuregelung tritt als Änderung der EU-Amtshilferichtlinie 2011/16/EU am 25.6.2018 in Kraft; sie verpflichtet die Mitgliedsstaaten zur Umsetzung bis zum 31.12.2019, wobei die Regelungen ab dem 1.7.2020 anzuwenden sind.Die Kommission beruft sich auf den Auftrag des Rates vom 25. Mai 2016 „Gesetzgebungsinitiativen zu verbindlichen Offenlegungsregelungen in Anlehnung an die Aktion 12 des BEPS-Projekts der OECD ins Auge zu fassen, mit dem Ziel, effektivere Hindernisse für Intermediäre zu errichten, die bei Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung Unterstützung leisten.“, wobei diese Bezugnahme auf Dok. 9452/16 FISC 85 ECOFIN 502, Nummer 12, in dem endgültigen Text der Richtlinie nicht mehr enthalten ist. Allerdings wird in Erwägungsgrund 4 die Bekämpfung von Steuervermeidung und von Steuerhinterziehung durch Meldepflichten nebeneinander genannt.
2. Kritische Bewertung der Ausgangslage
Sieht man sich Erwägungsgrund (2) der Richtlinie an, geht es um Meldepflichten für Strukturen, „die für mehrere Steuergebiete gemeinsam entwickelt werden und durch die steuerpflichtige Gewinne in Staaten mit vorteilhafteren Steuersystemen verlagert werden oder die eine Verringerung der Gesamtsteuerbelastung des Steuerpflichtigen bewirken.“ Anders ausgedrückt: es geht darum, dass international tätige Steuerpflichtige ihre nationale Steuerbelastung innerhalb legaler Grenzen dadurch günstig beeinflussen wollen, dass sie Gestaltungen wählen, bei denen die andere Jurisdiktion Zugriff auf einen Teil des Steuersubstrats erlangt, also Vorteile aus dem Steuerwettbewerb der insofern souveränen Mitgliedsstaaten nutzen. Demgegenüber liegt eine Steuerhinterziehung dann vor, wenn der Steuerpflichtige (i) Finanzbehörden gegenüber über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht, (ii) Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder (iii) pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt. Die dritte Fallgruppe ist vorliegend, da es nicht um Verbrauchsteuern geht, irrelevant. Auch sonst kann die Bezugnahme auf „Steuerhinterziehung“ nur als Versuch begriffen werden, eine sachliche Diskussion zu beschränken, da Strukturen, damit sie erfolgreich sein können, nach den anzuwendenden nationalen Regelungen jeweils den Legalitätstest erfolgreich meistern müssen. Wäre dies anders, würden also Strukturen auch dann angenommen, wenn diese als strafbare Steuerhinterziehung zu werten wären, scheiterte jeder Art einer Meldepflicht bereits daran, dass niemand gezwungen werden darf, sich selbst einer Straftat zu bezichtigen (nemo tenetur), Art 14 Abs. 3 g Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, BGBl. 1973 II 1532, 1541. Mithin wäre es naheliegend, wenn der Deutsche Bundestag der Planung der Kommission jedenfalls insofern widersprechen würde, als auf die Steuerhinterziehung in der Begründung der Maßnahme Bezug genommen wird. Es erscheint auch fernliegend, dass Personen, die Steuerhinterziehung begehen wollen, eine Meldepflicht für dazu genutzte Gestaltungen beachten würden. Da die internationale Steuerplanung mit Steuerhinterziehung schlechterdings nichts zu tun hat, sollte hier keine Vermengung der völlig unterschiedlichen Vorgänge stattfinden.Mithin ist rechtsstaatlich zu klären, was eine „potenziell aggressive Steuergestaltung“, was „schädliche Steuerpraktiken“, was „potenziell aggressive Steuerplanungsgestaltungen“, was „aggressive Steuerpraktiken“ und was „Steuervermeidung“ sein soll, da alle diese Begriffe in den Erwägungsgründen 2, 3 und 4 der Richtlinie vorkommen und wie diese Begriffe vom deutschen Begriff der Steuerumgehung zu unterscheiden sind. Angesichts der Sanktionsfolgen, die in Art. 25 a vorgesehen sind, ist hierfür die Beachtung des strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes zwingend erforderlich.Eine Steuerumgehung bedingt nach der Definition des § 42 AO, dass eine den wirtschaftlichen Vorgängen unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird und hieraus beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten ein gegenüber der angemessenen Gestaltung gesetzlich nicht vorgesehener Steuervorteil entsteht. Innerstaatlich ist gesetzlich in § 42 Abs. 2 Satz 2 AO anerkannt, dass dann, wenn nachgewiesen wird, dass für die Gestaltung außersteuerliche Gründe bestehen, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind, keine Steuerumgehung vorliegt. Nicht zum Tatbestand der Steuerumgehung gehört eine Senkung der Gesamtsteuerbelastung, da § 42 AO nur das deutsche Steueraufkommen in den Blick nimmt. Die Richtlinie spricht hingegen Gewinnverlagerungen an, sofern der Aufnahmestaat ein „vorteilhafteres Steuersystem“ aufweist oder durch die eine niedrigere Gesamtsteuerbelastung des Steuerpflichtigen bewirkt wird. Wie ein Steuersystem vorteilhafter als dasjenige des bisher für die Besteuerung zuständigen Staates sein kann, ohne dass eine niedrigere Gesamtsteuerbelastung eintritt, bleibt mangels Anknüpfung im Text der Richtlinie Geheimnis des Rates.Aus dem Konglomerat der Begriffe wird man entnehmen können, dass der Rat bei Erlass der Richtlinie kein konkretes Regelungsziel und keine konkreten Verhaltensänderungen im Blick hatte. Mithin kann es nur darum gehen, die Staaten in die Lage zu versetzen, auf Basis der Meldungen zu kontrollieren, ob nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtliche außersteuerliche Gründe für die Gestaltung bestehen, oder ob das legale Ausnutzen des Steuergefälles zwischen den autonomen Mitgliedsstaaten den höher besteuernden Staaten Abweichungen von den Grundfreiheiten des Vertrages durch zusätzliche Steuerfolgen erlauben sollen. Es erscheint zweifelhaft, ob Unionssekundärrecht, zumal im nicht harmonisierten Bereich der direkten Steuern, eine solche die Grundfreiheiten einschränkende Wirkung haben darf, oder ob nicht der Steuerpflichtige, der eine legale Struktur, für die es beachtliche außersteuerliche Gründe gibt, implementiert, im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit handelt.Unseres Erachtens dient auch der fünfte Erwägungsgrund der Richtlinie nicht der Abgrenzung der Meldepflichten sondern soll zu einer Beschränkung einer sachlichen Diskussion führen, weil selbstverständlich niemand Beihilfe zur Steuerhinterziehung unterstützen will. Da mit der Richtlinie aber ohnedies nur legale Strukturen adressiert werden können, sollten solche sachfremden Erwägungen in einer Rechts- und Wertegemeinschaft im Bereich der Rechtssetzung nicht verwendet werden. Der Zweck heiligt (auch hier) nicht die Mittel. Ob in der Vergangenheit Finanzintermediäre und andere Steuerberater Kunden dabei geholfen haben, Geld auf Offshore-Konten zu verstecken, ist, jedenfalls wenn man die rechtsstaatlich gebotene Einzelbetrachtung anstellt, für die Frage der Inpflichtnahme Dritter nach Maßgabe des deutschen Abgabenrechts irrelevant. Maßgeblich ist nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, ob für die Sachverhaltsaufklärung die Befragung der Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.Verschiedentlich wird in den Erwägungsgründen auf das „Funktionieren des Binnenmarktes“ hingewiesen. Dies ist im Ausgangspunkt zutreffend, weil die Rechtsgrundlage für ein Vorgehen der Union, Art. 114, 115 AEUV, genau dies voraussetzt. Wir haben jedoch den Eindruck, dass ohne jede Art der Quantifizierung das Entstehen von Steuereinnahmen in einem Staat zulasten von Steuereinnahmen in einem anderen Staat dem Funktionieren des Binnenmarktes keineswegs entgegenstehen muss. Vielmehr mag es bei den Strukturen eher so zu sein, dass typischerweise hoch besteuernde Staaten Einnahmeausfälle zugunsten niedriger besteuernde Staaten erleiden, die dadurch noch weniger in die Lage versetzt werden, unterdurchschnittliche staatliche Leistungen dem Unionsdurchschnitt anzupassen.Wenig plausibel erscheint auch, dass Meldungen zu einer „gerechteren Besteuerung im Binnenmarkt“ beitragen. Angesichts des nationalen Vorbehaltsrechts der Festlegung der Bemessungsgrundlagen und Steuersätze durch die Parlamente der Mitgliedsstaaten impliziert Erwägungsgrund 6, dass dieses seit Beginn der Union geltende Prinzip zu Ungerechtigkeiten führt. Es steht zu befürchten, dass die Kommission und/oder der Rat versuchen könnten, mit Blick auf die systemkongruenten und hergebrachten Regelungen im Steuersystem eines Mitgliedsstaates Druck aufzubauen, dieses System umzustellen, obwohl keine gegen Art. 107 ff. AEUV verstoßenden Beihilfe vorliegt.
3. Meldepflicht und Information
Die in Art. 3 neu vorgesehene Tz 21 verpflichtet Intermediäre, meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen anzuzeigen. Die Regelung weist zu Recht darauf hin, „dass jede Person das Recht hat, Beweise beizubringen, wonach sie nicht wusste oder nach vernünftigem Ermessen nicht wissen konnte, dass sie an einem meldepflichtigen grenzüberschreitenden Modell beteiligt war.“ Wir meinen allerdings, dass durch diesen Ansatz die Belastung der Intermediäre übermäßig ausgestaltet ist. Der europäische Rechtssetzer geht nämlich davon aus, dass zunächst eine Meldepflicht für den Intermediär besteht, wenn eines der sog. Kennzeichen vorliegt. Dieser Ansatz widerspricht allerdings bereits, wie ausgeführt, dem zutreffenden Ansatz des deutschen Rechtes, zunächst den Steuerpflichtigen als erklärungsverantwortlich zu betrachten. Wird auf diesen abgestellt, stellt sich allerdings die Frage, woher der Steuerpflichtige hinreichend zuverlässig wissen können soll, wann ihm ein Modell und wann ihm eine individuelle Beratungsempfehlung vorgestellt wird. Erfolgte die Empfehlung aus Deutschland heraus, mag es bereits an dem Merkmal „grenzüberschreitende Gestaltungen“ fehlen. Das sollte den Gesetzgeber aber nicht dazu verleiten, hiervon als Voraussetzung Abstand zu nehmen, weil sonst das „Steuergeheimnis“ als Rückseite der Münze „umfassende Offenbarungspflicht“ ad absurdum geführt würde. Vielmehr sollte der Gesetzgeber darauf achten, dass sich die Meldepflicht in handhabbaren Grenzen bewegt. Hierzu sollte das Parlament angesichts der widersprüchlichen Regelungsziele der Richtlinie – Informationsgewinnung für zukunftsbezogene Gesetzesänderungen bzw. effektive Durchsetzung bestehender Steueransprüche – den Mut aufbringen, die rechtsstaatlich gebotenen Einschränkungen vorzunehmen, auch wenn dadurch die Richtlinie nur in den EU-primärrechtlich gebotenen Schranken umgesetzt wird.
4. Person
Die Definition der „Person“ im Schlussabsatz von Art. 3 Tz 23 ist unseres Erachtens mit den Regelungen zu Art. 6 Grundgesetz nicht vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluss vom 12.3.1985 – 1 BvR 571/81 entschieden, dass es mit Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar sei, wenn bei der Beurteilung der personellen Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen als Voraussetzung für die Annahme einer Betriebsaufspaltung von der – wenn auch widerlegbaren – Vermutung auszugehen ist, Ehegatten verfolgten gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen. Wenn schon die widerlegliche Vermutung gleichgerichteter Interessen mit den Voraussetzungen des Gleichheitsgebotes unvereinbar ist, dann ist erst recht die vollständige Gleichsetzung zweier verheirateter Personen mit einer Person, wie dies im Schlussabsatz der Tz. 23 normiert ist, verfassungswidrig. Es mutet ferner willkürlich an, dass im Text der Änderungsrichtlinie lediglich der Ehepartner, nicht aber der Partner einer eingetragenen Partnerschaft erwähnt wird, also die formale Ehe gegenüber der eingetragenen Lebenspartnerschaft benachteiligt wird. Auch aus diesem Grunde sollte der deutsche Gesetzgeber den Text der Änderungsrichtlinie nicht unverändert akzeptieren.
5. marktfähiges Modell und maßgeschneidertes Modell
Art. 3 Tz. 25 bzw. 26 definiert die beiden Arten von Modellen. Wegen der Rechtsfolge, dass die Nichtmeldung von Modellen nach Art. 25 A der Richtlinie „wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen“ nach sich ziehen müssen, erscheint es mit Blick auf den auch im Unionsrecht verankerten Grundsatz „nulla poena sine lege“, Art. 49 GR-Charta, Art 103 Abs. 2 GG, zunächst erforderlich, dass der Begriff des „Modells“ definiert wird. Eine derartige Definition sieht die Richtlinie hingegen nicht vor, sie stellt lediglich eine Reihe von Kennzeichen (hallmarks) zusammen, die für ein Modell sprechen. Wir haben erhebliche Bedenken, ob diese Vorgehensweise strukturell geeignet sein kann, eine für eine sanktionsbewehrte Norm erforderliche Rechtsklarheit zu schaffen. Der Bundesfinanzhof hat in inzwischen ständiger Rechtsprechung entschieden, dass nur die Erstellung einer umfassenden und regelmäßig an mehrere Interessenten gerichteten Investitionskonzeption als Modell angesehen werden könne. Eine Übernahme einer Gestaltungsidee qualifiziere hingegen nicht als Modell. Der Gesetzgeber wäre u.E. gut beraten, an die Rechtsprechung des BFH anzuknüpfen und diese Überlegung bei der Formulierung der Kennzeichen zu verwenden.In den Kennzeichen wird beschreibend und damit nicht subsumtionsfähig u.a. darauf hingewiesen, dass (A.1) eine Vertraulichkeitsklausel mit Wirkung auch gegenüber den Steuerbehörden vereinbart sei, (A.2) die Gebühr für den Intermediär mit Bezug auf den Steuervorteil aufgrund des Modells festgelegt werde, und (A.3) die Dokumentation und oder Struktur im wesentlichen standardisiert und für mehr als einen relevanten Steuerpflichtigen verfügbar sei, ohne dass es für die Nutzung individuell angepasst werden müsse. Als spezifische Kennzeichen wird (C.1) auf Empfänger, die in keinem Steuergebiet ansässig sind oder in einem Steuergebiet ansässig sind, das keine Körperschaftsteuer erhebt oder einen Körperschaftsteuersatz von null oder nahe null erhebt, und in C.2 auf Situationen, in denen für die Abschreibung desselben Vermögenswertes Abzüge in mehr als einem Steuergebiet geltend gemacht werden, abgestellt. Schließlich wird in E.3 auf eine Minderung des erwarteten jährlichen Gewinns vor Zinsen und Steuern (Ebit) um mehr als 50 % über einen Zeitraum von drei Jahren bei Umsetzung der Transaktion gegenüber der Situation ohne diese Übertragung abgestellt.All dies erscheint uns mit den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Gesetzesklarheit nicht vereinbar. Das Abstellen auf erwartete Gewinne würde voraussetzen, dass Steuerpflichtige nicht nur die erzielten Gewinne in ihrer Steuererklärung angeben müssen, sondern auch verpflichtet wären, die Gewinnerwartungen über die nächsten drei Jahre in ihren Steuererklärungen anzugeben, da anderenfalls eine Überprüfung der Minderungswirkung eines Modells ohne strukturelles Vollzugsdefizit nicht möglich erscheint. Auch das Anknüpfen an einen Körperschaftsteuersatz „nahe null“ ist rechtsstaatlich nicht hinzunehmen, weil der Gesetzesbetroffene nicht erkennen kann, welche Nähe zu null der Gesetzgeber des Unionsrechtes vor Augen hatte. Ein gleichmäßiger Gesetzesvollzug ist auf der Basis, d.h. ohne Angabe eines konkreten Mindeststeuersatzes, nicht möglich. Insbesondere die Bezugnahme in A.3 wirft Fragen in Bezug auf die unterschiedliche Beschreibung in Tz 25 und Tz 26 auf. Wenn es bereits zum „Modell“ gehört, dass eine Dokumentation oder Struktur für mehrere Steuerpflichtige ohne individuelle Anpassung verfügbar ist, ist ein „maßgeschneidertes Modell“ daneben nicht vorstellbar, weil die Nichtanpassung bereits zur Modelldefinition gehört. Ist aber eine individuelle Anpassung erforderlich, dürfte es sich eher um die vom BFH als nicht modellhaft bezeichnete Gestaltungsidee handeln. Auch dies zeigt, dass der Deutsche Bundestag der Richtlinie in der derzeitigen Form seine Zustimmung insgesamt verweigern sollte, weil sich der zentrale Begriff als nicht subsumtionsfähig erweist.
6. Konflikt zum Steuergeheimnis
Nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist die einem Rechts- oder Steuerberater auferlegte Verpflichtung zur Angabe der relevanten Person, die ein Modell nutzt, mit dem deutschen Recht nicht vereinbar. Sie ist auch für das Ziel der Richtlinie, Gesetzesinitiativen pro futuro anzustoßen, nicht erforderlich, weil der Gesetzgeber sich ja abstrakt generell mit einer „Lückenschließung“ oder den Steuerfolgen einer Gestaltung befassen mag. Ebenfalls ist nicht erkennbar, warum das Steuergeheimnis insofern gegenüber der Kommission und – nicht beteiligten – Mitgliedsstaaten der EU durchbrochen werden soll. Dies wurde auch seitens des hessischen Finanzministeriums in der Pressemitteilung vom 8.3.2018 zutreffend beschrieben. Wird dementsprechend der (berufsrechtlich geschützte) Berater von der Anzeigepflicht ausgenommen, verbleiben im Kern Finanzdienstleister als anzeigepflichtig. Ob es sich mit deren Berufsfreiheit gemäß Art. 12 GG verträgt, eine die Berufsausübung beschränkende Regelung zu erlassen, ist keine Angelegenheit des Berufsrechts der Steuerberater; daher nehmen wir hierzu nicht Stellung. Die Steuerberater werden allerdings bei der Erfüllung der Anzeigepflicht des relevanten Steuerpflichtigen oftmals Unterstützung leisten müssen. Dies führt vorhersehbar dann zu Konflikten, wenn mehr als ein von einem Steuerberater betreuter relevanter Steuerpflichtiger der Ansicht ist, kein Modell umzusetzen, weil der relevante Steuerpflichtige meint, der Vorschlag sei ihm individuell ausgearbeitet worden. Der Steuerberater wird diesen Irrtum nicht aufklären dürfen, weil er dann Erkenntnisse aus anderen Mandaten mitteilen müsste. Im übrigen wäre bei Praxen mit einer Mehrzahl von Berufsträgern der Koordinationsaufwand kaum zu leisten.Unseres Erachtens muss vom deutschen Gesetzgeber sichergestellt werden, dass das Berufsgeheimnis des Steuerberaters auch in diesem Fall Vorrang genießt und der Steuerberater nicht verpflichtet ist, den Mandanten auf das Angebot, das offenkundig dann auch Dritte erhalten haben, hinzuweisen. Ferner kann ein Konflikt dann entstehen, wenn der Steuerberater gebeten wird, in einer solchen Situation die Erklärung, ein Modell läge nicht vor, vorzubereiten, er aber selbst -ohne es dem Mandanten zu offenbaren- die nämliche Idee auch anderen Mandanten offeriert hat. Auch dieser Konflikt macht deutlich, dass der Meldeansatz bedenkliche Folgen für die Berufsausübung der Steuerberater zeitigt.
7. nationale Meldepflichten
Die Finanzministerkonferenz erwägt, über die Regelungsvorschläge des Rates hinausgehend auch nationale Modelle meldepflichtig zu machen. Richtigerweise wird hier der Steuerpflichtige selbst in die Pflicht genommen. Das unter 6. beschriebene Problem besteht aber auch bei diesen Meldungen. Ferner dürfte es auch dem deutschen Gesetzgeber schwer fallen, eine „verfassungsfeste“ Definition des „Modell“ zu formulieren, ist dies doch weder bei § 2b EStG noch bei § 15b EStG gut gelungen.
8. Alternativüberlegung
Der Bundesverband der Steuerberater hat grundsätzlich Verständnis für den Wunsch der Finanzverwaltungen, möglichst frühzeitig von Planungsüberlegungen von Steuerpflichtigen und ihren Beratern Kenntnis zu erhalten. Hierzu besteht unseres Erachtens ein einfacher Weg: die Ermöglichung, verbindliche Auskünfte auch für Steuergestaltungen beantragen zu können und die Abschaffung der Gebühren für verbindliche Auskünfte, ggf. Ersetzung durch eine (niedrige) Pauschalgebühr zur Verhinderung missbräuchlicher Inanspruchnahme des Rechtsinstitutes. Werden Auskünfte nicht gebührenpflichtig erteilt, sondern wie bei „Vorprüfungen“, die es im Kommunalleasing sowie bei Verlustzuweisungsgesellschaften gab, als Teil effektiven Verwaltungshandelns begriffen, so würden der Finanzverwaltung im Rahmen der Auskünfte geplante Sachverhalte offengelegt. Das Interesse des Steuerpflichtigen an der Klärung der steuerlichen Folgen seiner Planungsüberlegungen führt erfahrungsgemäß dazu, dass er die Ideen gerne mit der Finanzverwaltung teilt. Da Auskünfte ohnedies grenzüberschreitend mitgeteilt werden können, wenn sie auch für andere Mitgliedstaaten von Relevanz sind, ist auch der grenzüberschreitende Informationsaustausch in großem Stil gesichert. Wir meinen, dass wegen des Fehlens von Sanktionen, die eine genaue Definition des sanktionierten Verhaltens bedingen, dieser Weg als Teil eines kooperativen Steuervollzugs gegenüber dem derzeit in der EU-normierten repressiven Weg der sanktionsbewehrten Meldungen uneingeschränkt vorzugswürdig ist.Der Bundesverband der Steuerberater steht dem Bundesministerium der Finanzen sowie dem Deutschen Bundestag und seinem Finanzausschuss gerne für die weitere Diskussion zur Verfügung.
Prof. Dr. Jochen Lüdicke