Herrn
Dr. Volker Wissing, MdB
Vorsitzender des Finanzausschusses
des Deutschen Bundestages
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11011 Berlin
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Stellungnahme zur geplanten Einschränkung der strafbefreienden Selbstanzeige
- hier: Anhörung am 21.2.2011 -
Der Bundesverband der Steuerberater begrüßt, dass die ursprünglich im Jahressteuergesetz 2010 enthaltenen Verschärfungen der strafbefreienden Selbstanzeige einer erneuten Überprüfung unterzogen wurden und dass im Rahmen der Sperrgründe nunmehr nicht mehr auf interne Behördenvorgänge (z.B. Absendung einer Prüfungsanordnung bzw. interne Einleitung eines Steuerstrafverfahrens) abgestellt wird. Die Erstattung einer Selbstanzeige wird für den Steuerpflichtigen damit hinsichtlich der Wirksamkeit nicht zum „russischen Roulette“.
Im Hinblick auf die für Montag, den 21.2.2011 anberaumte Anhörung im Finanzausschuss erlauben wir uns zwei kurze rechtliche und eine kurze praktische bzw. rechtspolitische Anmerkung:
1. „Strafzuschlag“
Einen Zuschlag von 5 % zusätzlich zu den Hinterziehungszinsen halten wir für bedenklich:
- Ein solcher Zuschlag ist bereits deshalb problematisch, weil eine Sanktion der Strafbefreiung widerspricht und auch verfassungsrechtlich vermutlich nicht unproblematisch ist.
- Sofern versucht wird, diesen Zuschlag begrifflich als „Verwaltungsgebühr“ zu begründen, halten wir das für unzulässig. In der Bearbeitung einer Selbstanzeige ist keine zusätzliche Leistung der Behörde im Rahmen einer Selbstanzeige zu sehen, da die Behörde schlicht ihrer Besteuerungsaufgabe nachkommt. Die Besteuerung müsste sie auch vornehmen, wenn sie z.B. von Dritten – und nicht durch die Selbstanzeige – die Informationen erhalten hätte (z.B. Anzeige durch ehemalige Arbeitnehmer oder Lebensgefährtin). Eine Gebühr darf nach dem gebühren- und verfassungsrechtlichen Äquivalenzprinzip nur verlangt werden, wenn dieser eine zusätzliche adäquate Leistung gegenüber steht.
- Ein solcher Zuschlag wird ferner zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten mit entsprechendem Konfliktpotential führen. Bei einer strafrechtlichen Selbstanzeige nach § 371 AO würde der Zuschlag anfallen. Bei einer bloßen steuerlichen Berichtigungserklärung nach § 153 AO hingegen nicht. Entsprechende Rechtstreitigkeiten mit der im subjektiven Tatbestand zu treffenden schwierigen Abgrenzung sind vorprogrammiert.
2. Abgrenzung dolose / undolose Teilselbstanzeige
Es ist beabsichtigt, die sog. dolose Selbstanzeige, also die Selbstanzeige in dem Bewusstsein, nicht vollständig „reinen Tisch“ zu machen, auszuschließen (§ 371 Abs. 1 Nr. 3 AO n.F., Entwurf der Bundesregierung v. 08.12.2010). Die wissentlich unvollständige Selbstanzeige wäre mithin nicht mehr strafbefreiend. Darüber hinaus ist der Zusatz im Gesetzesentwurf „oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste“ missglückt. Denn ausweislich der Gesetzesbegründung wollte der Gesetzgeber lediglich die bewusst unvollständige Selbstanzeige ausschließen. Eine fahrlässig unvollständige Nacherklärung wird mithin in der Gesetzesbegründung nicht erwähnt. Umso mehr ist unklar, unter welchen Umständen dieser zusätzliche Ausschlussgrund (Kennenmüssen = Fahrlässigkeit) Eingang in den Entwurf des Wortlautes fand. Sollte dieser Wortlaut Gesetz werden, muss das Günstigkeitsprinzip gelten: Aufgrund des im Strafrecht geltenden streng formalen Prinzips der Gesetzmäßigkeit (Rechtstaatsprinzip, Bestimmtheitsgebots) dürfen Unklarheiten betreffend die Gesetzesbedeutung nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen gelöst werden. Damit wäre die Selbstanzeige nur bei bewusster Unvollständigkeit ausgeschlossen. Zur Vermeidung von Rechtstreitigkeiten sollte dies sprachlich klargestellt werden, indem der Zusatz „oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste“ gestrichen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bornheim Ingo Heuel
(Der Präsident) (2. Vizepräsident)