07. März 2011
Mediation im FG Verfahren: Stellungnahme des BVStB zum Regierungsentwurf

Bundesministerium der Justiz
- Abteilung RA3
-z. Hd. Frau Dr. Steinbeiß-Winkelmann
Mohrenstraße 37
11015 Berlin

 

Vorab per Telefax: 0 30/1 85 80-95 25

 

Sehr geehrte Frau Dr. Steinbeiß-Winkelmann

der Bundesverband der Steuerberater e.V. möchte im Folgenden Stellung nehmen zum Kabinettsentwurf des Gesetzes zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung (Mediationsgesetz) vom 12. Januar 2011.

Mit Bedauern mussten wir feststellen, dass der Kabinettsentwurf im Gegensatz zum Referentenentwurf die gerichtsnahe und die gerichtsinterne Mediation für das finanzgerichtliche Verfahren nicht mehr vorsieht. In der Begründung des Kabinettsentwurfs wird dazu allein auf die Besonderheiten des finanzgerichtlichen Verfahrens hingewiesen. Dies bedeutet, dass sich bei Bestätigung des Kabinettsentwurfs der Anwendungsbereich der Mediation im Steuerrecht zukünftig auf das außergerichtliche Verfahren sowie die Integration mediativer Elemente in das finanzgerichtliche Verfahren zu beschränken hat.

Wir sind als Bundesverband der Steuerberater überzeugt, dass sich die Mediation auch für das finanzgerichtliche Verfahren gegenüber den klassischen gerichtlichen Konfliktlösungsmöglichkeiten (streitige Entscheidung, Klagerücknahme oder Hauptsacheerledigung) durch einen besonderen Mehrwert auszeichnet. Wir führen unsere Überzeugung von der gerichtsnahen und gerichtsinternen Mediation auch im finanzgerichtlichen Verfahren auf die folgenden Argumente zurück, um deren Berücksichtigung wir Sie bitten möchten:

 

1.     Die Möglichkeit zur gerichtsnahen und gerichtsinternen Mediation würde die begonnene Entwicklung von einer hoheitlich verstandenen Finanzverwaltung hin zu einer kooperativ agierenden Finanzverwaltung verstärken. Kooperatives Verhalten der Finanzverwaltung erachten wir als notwendiges Vehikel, um die Besteuerungsmoral in Deutschland und die Akzeptanz der steuerlichen Lastenzuteilung zu heben und die Streitkultur zwischen Fiskus und Steuerpflichtigem zu verbessern. Ein sich insofern wandelndes Verständnis von der Finanzverwaltung in der Bevölkerung qualifizieren wir heute als eine der tragenden Funktionsvoraussetzungen des Steuersystems, dem mit der Zulassung der gerichtsnahen und gerichtsinternen Mediation Rechnung getragen werden sollte.

 

2.     Wir sehen die gerichtsinterne Mediation zudem als eine Aufgabe zeitgemäßer Finanzrechtsprechung. Es ist dem gewandelten Verständnis und der Realität richterlicher Tätigkeit auch am Finanzgericht Rechnung zu tragen, deren Aufgabe heute in der durch neutrale Verfahrensherrschaft herbeigeführten effektiven und verbindlichen, nicht methodenfixierten Konfliktlösung besteht. Auch für das Finanzgericht sollte daher die Möglichkeit bestehen, sich zeitgemäßer Konfliktlösungsmethoden bedienen zu können. Es liegt im öffentlichen Interesse, die Mediation nicht ausschließlich dem privaten Markt zu überlassen, sondern auch für bereits anhängige Konflikte vorzusehen.

 

3.     Der häufig der gerichtsnahen und gerichtsinternen Mediation im Steuerrecht entgegen gebrachte Einwand, Mediation sei hier wegen der Möglichkeit zur Verständigung im sog. Erörterungstermin von keinem Mehrwert, lässt außer Acht, dass – anders als der streitentscheidende Richter im Erörterungstermin, der die Parteien bewusst oder unbewusst häufig durch seine rechtlichen Hinweise zu einer vorbestimmten Konfliktlösung führt – der richterliche Mediator den Konfliktparteien tatsächlich als neutrale und kompetente Vertrauensperson begegnen kann. Im Gegensatz zum Eröterungstermin ist es im Mediationsverfahren außerdem möglich, zusätzlich zu den Verfahrensbeteiligten i.S.v. § 57 FGO Personen einzubeziehen, die wie z.B. in Familien- und Erbstreitigkeiten maßgeblichen Einfluss auf den vordergründig stattfindenden Steuerprozess haben. Hinzuweisen ist schließlich auf das zeitliche Argument, da die in den meisten anhängigen Steuersachen empfehlenswerte sog. Kurz-Zeit-Mediation wegen ihrer straffen Verfahrensstruktur eher weniger Zeit in Anspruch nehmen wird als ein klassischer Erörterungstermin.

 

4.      Nachdrücklich möchten wir darauf hinweisen, dass das Argument, die Mediation im Steuerrecht sei mit dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Legalitätsprinzip) nicht zu vereinbaren, nicht überzeugen kann. Denn das Mediationsverfahren wird ansetzen, bevor das Legalitätsprinzip greift, nämlich im Rahmen der Ermittlung der tatsächlichen Umstände, an die dann anschließend der Steueranspruch knüpft. Verkannt wird, dass die Mediation bei Steuerkonflikten insbesondere da zum Einsatz kommen kann, wo gesetzliche Ermessens- und Konkretisierungsspielräume (Bewertungsfragen, Aufteilung privater/betrieblicher Aufwendungen, Abgrenzung zwischen verschiedenen Einkunftsarten, Zuschätzungen nach Kalkulationsdifferenzen) konsensual auszufüllen sind. Bei zahlreichen Konflikten (z.B. Erbstreitigkeiten innerhalb der Familie) wird es vorrangiges Ziel der Mediation sein, die Parteien „zurück an einen Tisch zu holen“, d.h. eine Berührung mit dem Legalitätsprinzip ist hier ausgeschlossen.

 

5.     Als besonders vorteilhaft ist es zu bewerten, dass es die gerichtsnahe und gerichtsinterne Mediation im Gegensatz zu dem auf den Streitgegenstand fixierten finanzgerichtlichen Verfahren zulassen würde, auch über den Streitgegenstand hinausgehende Konfliktpunkte in das Mediationsergebnis einzubeziehen, was sich im Besonderen in Steuerstreitsachen z.B. im Hinblick auf weitere Veranlagungszeiträume, Stundungsmöglichkeiten etc. anbietet. Die Möglichkeit zur umfassenderen Konfliktbeilegung, die die Mediation im Vergleich zur streitigen Entscheidung bietet, eröffnet gerade für steuerrechtliche Konflikte große Chancen, deren Ausnutzung durch den Gesetzgeber nicht verhindert werden sollte.

 

In diesem Sinne sehen wir es auf aufgrund der Besonderheiten des finanzgerichtlichen Verfahrens im speziellen und der Steuerrechtsstreitigkeiten im allgemeinen geradezu geboten, die Mediation umfassend, und somit auch für das gerichtliche Verfahren, im Steuerrecht vorzusehen.

Wir möchten Sie daher dazu aufrufen, den Ausschluss der gerichtsnahen und gerichtsinternen Mediation für das finanzgerichtliche Verfahren zu überdenken. Gerne steht Ihnen Frau Dr. Helena Schnüttgen für Rückfragen und Diskussionen unter der Rufnummer 02 21/5 69 60-4 10  zur Verfügung.

 

gezeichnet

Dr. Wolfgang Bornheim                                    Ingo Heuel
(Präsident)                                                 (2. Vizepräsident)