Bundesministerium der Justiz
Frau Sabine Leutheuser-Schnarrenberger MdB
Bundesjustizministerin
Mohrenstrasse 37
10117 Berlin
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Schutzes von Vertrauensverhältnissen zu Berufsgeheimnisträgern im Strafprozessrecht (Gesetzesantrag Land Schleswig Holstein vom 23.02.2012 (BR-Drs. 99/12)
Sehr geehrte Frau Bundesministerin Leutheuser-Schnarrenberger,
als Bundesverband der Steuerberater e.V. (BVStB) unterstützen wir die Gesetzesinitiative des Landes Schleswig Holstein.
Die gegenwärtige Fassung des § 160a StPO differenziert u.E. in gleichheitswidriger Weise zwischen Rechtsanwälten einerseits und Steuerberatern andererseits. So sind Rechtsanwälte vor staatlichen Ermittlungsmaßnahmen nach § 160 a Abs.1 Satz 1 StPO weitergehend geschützt als Steuerberater. Letztere sind über § 160 a Abs. 2 Satz 1 StPO nur im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung in den Schutzmechanismus einbezogen. Damit ist ein verfassungsrechtlich nicht zulässiges „Zwei-Klassen-System“ von Organen der (Steuer-)Rechtspflege geschaffen worden. So sind Mandanten, die wegen einer Mietstreitigkeit einen Rechtsanwalt aufsuchen, unabhängig vom Gesprächsinhalt immer umfassend geschützt. Mandanten hingegen, die ihren Steuerberater wegen einer Selbstanzeige kontaktieren, sind vor Überwachungsmaßnahmen nicht sicher.
Ganz schwierig ist dies für einen Erstkontakt, bei dem zur Berufsausübung verbundene (Nur-) Rechtsanwälte und (Nur-) Steuerberater zugegen sind, weil dann ggf. in einem einheitlichen Gespräch ein unterschiedliches Schutzniveau herrscht.
Diese Differenzierung ist auch rechtstatsächlich nicht nachvollziehbar: Die beiden Vergleichsgruppen, Rechtsanwälte einerseits und Steuerberater andererseits, sind vergleichbare Normadressaten. Beiden wird aus beruflichen Gründen ein Zeugnisverweigerungsrecht zum Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Berater und Mandant zuerkannt (§ 53 Abs. 1 StPO). Ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflichten ist bei beiden Berufsgruppen nach § 203 S. 1 Nr. 3 StGB strafbar. Solange die Finanzbehörde ein Strafverfahren selbstständig durchführt, was in den meisten Steuerstrafverfahren der Fall ist, können Steuerberater ebenso wie Rechtsanwälte zu Verteidigern gewählt werden. Solange kein Fall der Pflichtverteidigung nach § 140 StPO vorliegt, können Steuerberater mit Zustimmung des Gerichts auch als (Allein-)Verteidiger auftreten. Beide Berufe setzen gleichermaßen das Bestehen eines Vertrauensverhältnisses voraus. Steuerberater erhalten – ebenso wie Rechtsanwälte – regelmäßig Informationen ihrer Mandanten aus dem Kernbereich ihrer privaten Lebensgestaltung, die ein besonderes Vertrauensverhältnis voraussetzen. Im Übrigen ist der Übergang von einem Beratungs- zu einem Verteidigungsmandat in der Praxis oft fließend und bei Mandatsübernahme nur selten vorhersehbar. Auch die Zuweisung einer einheitlichen Akte an Rechtsanwälte und Steuerberater ist keineswegs unüblich. Ist der Steuerberater der mandatsführende Partner einer gemischten Sozietät, wäre seine Beratung weniger geschützt als die in der Sozietät angestellten Anwälte, die sich auf die Steuerberaterprüfung vorbereiten. Die Differenzierung in § 160 a StPO ist sowohl wegen der Einschaltung mehrerer unterschiedlicher Berufsträger als auch vor dem Hintergrund dieses fließenden Übergangs zwischen einer allgemeinen steuerlichen Beratung einerseits und einer Beratung in einer (Steuer)Strafsache andererseits nicht praktikabel und daher als willkürlich einzustufen. Da das BVerfG gerade das Gespräch mit dem Verteidiger in den Schutzbereich der Menschenwürde einbezieht, der Beginn des Verteidigungsmandats beim Steuerberater aber – wie ausgeführt- nicht konkret festgelegt werden kann, ist die Einbeziehung der Steuerberater in den Schutzbereich des § 160 a StPO unabdingbar.
Mandanten müssen die Gewissheit haben, sich einem Steuerberater vorbehaltlos anvertrauen zu können. Steuerberater haben aufgrund ihrer steuerberatenden Tätigkeit im Dauermandat einen umfassenden Einblick in die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse ihrer Mandanten. Dieser Einblick geht regelmäßig weit über das hinaus, was ein absolut geschützter Berufsträger im Rahmen eines Einzelmandates erfährt bzw. benötigt. In der Regel wird insbesondere im Steuerstrafrecht der das Mandat laufend betreuende Steuerberater erster Ansprechpartner für den Beschuldigten sein, womit er formal aus der rein beratenden in die Verteidigungstätigkeit wechselt. Nur ein kleiner Teil der Gesamtverfahren im Steuerstrafrecht endet vor Gericht. Der weitaus größte Teil aller Verfahren endet einvernehmlich oder aber jedenfalls ohne Rechtsmittel gegen verfügte Sanktionen, was bedeutet, dass die Verteidigung nicht an die Mitwirkung eines Rechtsanwaltes gebunden ist. Auch sonstige Beratungsmandate können ohne vorherige Ankündigung jederzeit in Verteidigungsmandate umschlagen. Da der Übergang der Verfahrensschritte nur schwer abgrenzbar ist, ist es sachgerecht und erforderlich, dass auch die Tätigkeit des steuerlichen Beraters insgesamt in den umfassenden Schutz des § 160a StPO eingebunden wird. Gerade in diesen Fällen ist auch – anders als bei der Einzelmandatierung eine Aktentrennung in z.B. laufende Angelegenheiten und Betreuung und Einzelberatung nicht praktikabel. Ein fallweiser Schutz ist in diesen Fällen nicht praktizierbar, sodass nur der unbedingte und vollständige Schutz durch § 160 a StPO dem Charakter des Mandatsverhältnisses entsprechen kann. Nur dann, wenn sichergestellt ist, dass die Kommunikation im Verteidigungsmandat vertraulich ist, bleibt dieser Grundpfeiler unseres Strafprozessrechts erhalten. Andernfalls besteht stets die latente Gefahr, dass Ermittlungsbehörden unberechtigt auf vertrauliche Informationen zugreifen.
Die Aufnahme der Steuerberater in den Regelungsbereich des § 160a StPO ist daher nicht nur verfassungsrechtlich geboten, sondern auch berufspolitisch notwendig. Hierbei geht es nicht darum Privilegien für Steuerberater zu schaffen, sondern die verfassungsrechtlich garantierten Rechte der Bürger (Mandanten) zu schützen.
Wir bitten Sie daher, sich dafür einzusetzen, dass Steuerberater in den absoluten Schutzbereich des § 160 a StPO einbezogen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Jochen Lüdicke
Rechtsanwalt, Steuerberater